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Urteil 096

Az.: 2 L 41/09.TR

VERWALTUNGSGERICHT TRIER

BESCHLUSS

In dem Verwaltungsrechtsstreit

des Kindes .... .... , vertreten durch die Eltern ... und ... ....

Antragstefler - Prozessbevollmächtigter: des Rechtsanwalt Andreas Conrad. Schützenstraße 20, 54295 Trier,

gegen

den Eifeikreis Bitburg-Prüm, vertreten durch den Landrat, Trierer Straße 1, 54634 Bitburg,

  - Antragsgegner -

wegen

Jugendhilferechts hier:
Antrag nach § 123 VwGO

hat die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier aufgrund der Beratung vom 26. Januar 2009, an der teilgenommen haben ... ... ... beschlossen:

1) Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin einstweilen bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum Abschluss des Schuljahres 2008/2009 Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII in der Form einer Schulbegleitung für den Besuch der 11. Klasse des ... in ... zu bewilligen.

2) Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Gewährung einer Schulbegleitung für den Besuch der 11, Klasse des ,...Gymnasiums, ist zulässig und muss auch in der Sache zum Erfolg führen. Als Rechtsgrundlage für den begehrten Erlass der einstweiligen Anordnung kommt vorliegend allein § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - in Betracht. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Bestimmung kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug au den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweillige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes n Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Lässt allerdings die im Eilverfahren notwendige summarische Prüfung bereits erkennen, dass das von der Antragstellerin behauptete Recht zu ihren Gunsten nicht besteht, so ist auch nach der zuletzt genannten Bestimmung eine einstweilige Anordnung nicht mögllch, weil dann eine sicherungsfähige und sicherungswürdige Rechtsposition fehlt.

Dabei ist zusätzlich zu beachten, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung regelmäßig weder die Hauptsache des Rechtsstreits vorwegnehmen noch die Rechtsstellung der Antragstellerin erweitern, sondern lediglich die behaupteten und nach dem Sach- und Streitstand nicht ausgeschlossenen Rechtspositionen in einer Weise sichern darf, dass die Antragstellerin bei einem Obsiegen in der Hauptsache ihre Rechte noch ausreichend wahrnehmen kann. Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist mit Rücksicht auf den in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes - GG - gewährleisteten effektiven Rechtsschutz ausnahmsweise nur dann möglich, wenn die drohenden Nachteile unzumutbar, die geltend gemachten Ansprüche hinreichend wahrscheinlich (vgl. Kopp/Schenk Kommentar zur VwGO 12. Aufl. 2000, § 123 Rdn. 13 f.) und von den Antragstellern glaubhaft gemacht sind (123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §920 Abs. 2 ZPO). Diese zusätzlichen Voraussetzungen sind dadurch gerechtfertigt, dass die einstweilige Anordnung - wie oben dargelegt - in der Regel nur einen vorläufigen Inhalt haben kann und die Vorwegnahme der Hauptsache wegen der fraglichen Durchsetzbarkeit von Ersatzansprüchen in derartigen Fällen meist nicht mehr rückgängig zu machen ist.

Unter Berücksichtigung der vorliegenden Grundsätze hat die Antragstellerin einen Anspruch auf einstweilige Bewilligung einer Schulbegleitung bis zum Abschluss des laufenden Schuljahres 2008)2009, da sie nach dem derzeit vorliegenden Sach- und Streitstand glaubhaft gemacht hat, dass ihr aller Wahrscheinlichkeit nach ein Anspruch auf die begehrte Hilfeleistung zusteht und ihr ein Abwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar ist, da die Gefahr besteht, dass ihr durch ein Zuwarten schwere und unzumutbare Nachteile entstehen.

Gemäß § 35a Abs. 1 5GB VIII haben Kinder oder Jugendliche Anspruch auf Ein gliederungshilfe, wenn 1. ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und 2. daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die Antragstellerin leidet unstreitig .- wie auch durch die ärztliche Stellungnahme des Chefarztes der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Krankenanstalt Mutterhaus Priv.Doz. Dr. Markus und der Stellungsnahme des Autismus-Therapiezentrums Trier bestätigt unter einem Asperger-Syndrom nach lCD 10 F84.5. Diese Erkrankung gehört nach einhelliger Auffassung (vgl. VG Aachen, Urteil vom 25. September 2007 -2 K 1574/05 — in juris m.w.N.) zu den seelischen Behinderungen, für die Hilfen nach § 35 a SGB VIII zu leisten sind. Dies wird auch von dem Antragsgegner so gesehen, da er der Antragsteflerin nach § 35 a SGB VIII aufgrund ihrer Erkrankung Hilfe in Form von 10 Therapieeinheiten je Monat beim Autismus-Therapiezentrum in Trier bewilligt hat, Entgegen der Auffassung des Antragsgegners erschöpft sich der Bedarf der Antragstellerin aber nicht allein in der Gewährung dieser Hilfe sondern nach Auffassung der Kammer ist zur Überwindung der durch ihre seelische Erkrankung bedingten Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auch eine Unterstützung der Antragstellerin in der Schule durch Gewährung einer Schulbegleitung angemessen und notwendig.

Es ist nämlich davon auszugehen. dass die Beeinträchtigung der Antragstellerin in der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben auch dadurch zu gegenwärtigen ist, dass ihr ohne eine ihrer besonderen schulischen Situation Rechnung tragenden Hilfe, eine angemessene Schulausbildung nicht möglich sein wird, Hierbei ist zunächst festzustellen, dass nach § 35a Abs. 3 SGB VIII i.V.m. § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII und § 12 Nr. 3 der Etngllederungshilfe-Verordnung Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung auch die Hilfe für den Besuch eines Gymnasiums beinhalten kann. Da die Antragstellerin bisher das Gymnasium auch ohne Hilfe bis zur 11. Klasse erfolgreich absolviert hat, ist davon auszugehen, dass sie aufgrund ihrer intellektuellen Fähigkeiten in der Lage ist, das Abitur als Abschlussziel des Gymnasiums erreichen zu können. Dies wird auch durch die Stellungnahme der Schule vom 11. September 2008 bestätigt, nach der es der Antragstellerin aufgrund ihrer Möglichkeiten zur wissenschaftlichen Denkweise und ihrer genauen und präzisen Arbeitsweise grundsätzlich möglich ist, das Abitur zu absolvieren. Dementsprechend ist für sie der Besuch eines Gymnasiums auch eine angemessene Schuibildung. Wie sich ebenfalls zweifelsfrei aus den Stellungnahmen der Schule vom 11. September 2008 und 14. Januar 2009 ergibt, ist das Erreichen der für die Antragstellerin angemessenen Schulausbildung gefährdet, wenn sie nicht relativ zeitnah Hilfe zum Besuch der Schule in Form einer Schulbegleitung erhält. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist diese Hilfe, soweit dies nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen beurteilt werden kann, auch notwendig, denn die Schulbegleitung soll nicht dazu dienen, der Antragstellerin bessere Noten im Abitur zu ermöglichen, sondern sie ist — wie der Schulleiter in seinem Schreiben vom 14, Januar 2009 ausführt - insbesondere erforderlich, um der Antragstellerin das Erreichen dieses Abschlusses überhaupt zu ermöglichen. Hier soll z.B. eine Hilfe geschaffen werden, um ‚die langsame Motorik und die schematische unflexiblere Denkweise, die Symptome des Asperger sind, auszugleichen. Insofern kann der Antragsgegner auch nicht einwenden, dass die Antragstellerin bisher das Gymnasium auch ohne Hilfe eines Schulbegleiters erfolgreich absolviert hat und nach den Ausführungen der Schule sogar in der Klasse 11/1 Fortschritte gemacht hat, denn diese Fortschritte machen — wie sich aus diesem Schreiben ebenfalls zweifelfrei ergibt - die Hilfe durch einen Schulbegleiter nicht entbehrlich. Hier heißt es vielmehr: "Dennoch erfordert das Oberstufen-spezifische freiere Arbeiten in der ..., dass ... weitere Hilfe erhält, sonst ist ihr Schulerfolg gefährdet‘. Es ist auch für das Gericht nachvollziehbar, dass sich die durch die Erkrankung der Antragstellerin an einem Asperger-Syndrom ergebenden Schwierigkeiten, dem Schulunterricht zu folgen, in der Oberstufe besonders manifestieren, da hier der für an dieser Krankheit leidenden Personen besonders wichtige, geregelte Unterrichtsablauf durch das Kurssystem aufgelöst wird. Insofern ist es auch gerechtfertigt, dass die Antragstellerin zumindest zu Beginn der Oberstufe eine Schulbegleitung erhält, die ihr hilft, sich in die neue Situation einzufinden. Dass die Antragstellerin trotz dieser Schwierigkeiten die Klasse 11/1 noch erfolgreich absolvieren konnte, ist nach Auffassung des Gerichts im Wesentlichen dem engagierten Einsatz der Schule zu verdanken, die durch einen Katalog von Hilfsmaßnahmen versuchte, die Defizite der Antragstellerin bis zum Einsatz eines Schulbegleiters zu überbrücken. Es ist jedoch nachvollziehbar, dass diese Zusatz leistungen zum einen für das Erreichen eines der Begabung der Antragstellerin entsprechenden Schulabschlusses nicht ausreichen (vgl. die oben zitierten Schreiben der Schule) und zum anderen auch von der Schule auf Dauer nicht geleistet werden können, Dies gilt zum Beispiel für die von der Schule organisierte Hilfe, dass die Antragstellerin eine Abschrift von Tafelbildern durch Mitschüler oder Lehrer erhielt, damit sie nicht selbst abschreiben musste, sondern sich auf den Unterricht konzentrieren konnte. Es spricht daher nach der hier nur möglichen summarischen Prüfung alles dafür, dass die Hilfe durch eine Schulbegleitung sowohl erforderlich als auch geeignet ist, um die behinderungsbedingten Nachteile der Antragstellerin beim Besuch der Oberstufe des Gymnasiums auszugleichen. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ergibt sich diese Notwendigkeit nicht nur aus der Stellungsnahme der Schule sondern auch aus dem Förderplan des Autismus-Therapiezentrums, in dem es heißt: „Nach den derzeit vorliegenden Informationen erscheint eine Schulbegleitung dringend erforderlich". Zudem ist eine SupeNision der Schulbegleitung in den Maßnahmekatalog aufgenommen, was die Durchführung einer Schulbegleitung voraussetzt.

Da eine derartige Hilfe auch sofort eingreifen muss, um zu verhindem, dass die Antragstellerin schon einen wesentlichen Teil des in der 11. Klasse vermittelten Unterrichtsstoffs verpasst, ist vorliegend die Vorwegnahme der Hauptsache ausnahmsweise zulässig.

Nach alledem war dem Antrag der Antragstellerin mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge stattzugeben. Gerichtskosten werden nicht erhoben (188 VwGO).

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diese Entscheidung steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Rheinland- Pfalz zu.

Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Tner, Irminenfreihof 10, 54290 Trier, innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen.

Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder in elektronischer Form bei dem Beschwerdegericht eingeht. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist! soweit sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden st bei dem Oberverwaltungsgericht Rheinland- Pfalz, Deinhardplatz 4, 56068 Koblenz. schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten! die Gründe darlegen! aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist! und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe. Die elektronische Form wird durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit den öffentlich-rechtlichen Fachgerichtsbarkeiten vom 9, Januar 2008 (GVBI. S. 33) in der jeweils geltenden Fassung zu übermitteln ist.

Die Einlegung und die Begründung der Beschwerde müssen durch einen Rechtsanwalt oder eine sonstige nach Maßgabe des § 67 VwGO vertretungsbefugte Person oder Organisation erfolgen.

In Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslegen st die Beschwerde nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 € nicht übersteigt.

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