10 Jahre WüSL e.V.
        
 Der "Marsch aus den Institutionen" machte Halt in Würzburg 
        
        
Unter 
          dem Motto "10 Jahre WüSL - und noch immer nicht überflüssig" 
          feierte "Selbstbestimmt Leben Würzburg" sein Jubiläum. 
          Und selbst an ihrer Jubiläumsfeier blieben die "WüSLs" 
          nicht unpolitisch. Zum einen war der Termin mit dem 4. Mai bewusst nahe 
          an den Europäischen Protesttag behinderter Menschen gelegt. Zum 
          anderen fand vor der Fete eine Podiumsdiskussion unter dem Titel "Lieber 
          daheim als im Heim! Neue Wege behinderter Menschen" statt. Ulrich 
          Lorey vom WüSL-Vorstand begrüßte die Gäste im gut 
          gefüllten Felix-Fechenbach-Haus und gab eine kurze Übersicht 
          über das Programm. Michael Gerr, der sowohl bei den WüSL, 
          als auch im Vorstand des Dachverbandes Interessenvertretung Selbstbestimmt 
          Leben Deutschland (ISL e.V.) aktiv ist, überbrachte die Grußworte 
          der ISL. Stadtrat Erich Felgenhauer gratulierte stellvertretend für 
          Oberbürgermeisterin Dr. Pia Beckmann und würdigte die Arbeit 
          der WüSL. Geld sei nicht alles, meinte er und lud stattdessen als 
          "Geburtstagsgeschenk" die Mitglieder von WüSL zu Besuchen 
          ins Tierheim, in historische Gebäude oder das Röntgenmuseum 
          ein. 
	          
	          Das Einführungsreferat zur Podiumsdiskussion - die von Dr. Harald 
          Ebert moderiert wurde - hielt Jürgen Peters, Leiter der evangelischen 
          Beratungsstelle in Düsseldorf und ehemaliger langjähriger 
  Mitarbeiter von Hephata in Mönchengladbach. "Herr in den eigenen vier Wänden" lautet der Titel seines Vortrages, 
          in dem er deutlich den Stellenwert und den Unterschied von leben und 
          wohnen herausgearbeitet hatte. Sehr konträr ging es bei den anschließenden 
          Kurzreferaten und der Diskussion nicht zu, denn die WüSL wollten 
          an diesem Tag in erster Linie informieren. So waren sich Cornelia Klett 
          vom St.-Josefs-Stift in Eisingen, Matthias Rösch vom Ministerium 
          für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit, Rheinland-Pfalz, 
          Prof. Dr. Christian Lindmeier von der Universität Koblenz-Landau, 
          Campus Landau und Elke Bartz, ForseA, einig darüber, dass ambulante 
          Hilfestrukturen geschaffen werden müssten, damit Menschen mit Behinderungen 
          mitten in der Gemeinde leben können. Besonders Eltern hätten 
          oft Angst, dass ihre behinderten Kinder außerhalb von Institutionen 
          unterversorgt wären und wollten deshalb den (vermeintlichen) Schutz 
          einer Einrichtung. Prof. Lindmeier antwortete auf eine Frage, ob es 
          etwas "zwischen schwarz und weiß" gäbe, mit "nein". 
          Dezentralisierung sei nicht die Lösung, sondern nur Deinstitutionalisierung. 
          Auch kleine stationäre Wohneinheiten wären keine ambulante, 
          sondern eben doch weiterhin stationäre Wohnformen. Wohnen und Dienstleistung 
          müssten voneinander getrennt sein. 
       
Cornelia 
          Klett stellte die Bestrebungen des St.-Josef-Stifts dar, behinderte 
          Menschen "auszugliedern", sprich mehr in die Gemeinschaft 
          zu integrieren. Dass die in Rheinland-Pfalz geschlossenen Zielvereinbarungen 
          Schritte in die richtige Richtung darstellen, berichtete Matthias Rösch. 
          Er betonte, wie schwer es sei, die oft konträren Interessen von 
          Menschen mit Behinderungen, deren Angehörigen, den Kostenträgern 
          und den Anstaltsbetreibern "unter einen Hut" zu bringen. So 
          sei es nicht gelungen, ein von der rheinland-pfälzischen Sozialministerin 
          Malu Dreyer angestrebtes Moratorium gegen Neu- und Ausbauten von Heimen 
          abzuschließen. Elke Bartz meinte, das SGB IX beinhalte durchaus 
          Möglichkeiten zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Doch würde 
          die Verwaltung nach wie vor das Recht auf ambulante vor stationäre 
          Versorgung unter den Kostenvorbehalt stellen. Weitere Gegner der Auflösung 
          von Institutionen seien deren Betreiber und Mitarbeiter, die um ihre 
          Arbeitsplätze fürchteten. Diese zu überzeugen dass sie 
          - wenn auch in einer anderen Form und mit einer aneren Einstellung - 
          weiter gebraucht würden, müsse vermittelt werden.
        
Bedauerlich war, dass die Veranstaltung mehr oder weniger "vor 
          eigenen Reihen" stattfand und der Vertreter der Stadt nicht bis 
          zum Ende der Podiumsdiskussion blieb. Positiv hingegen konnte die Anwesenheit 
          von VertreterInnen aller Würzburger Zeitungen vermerkt werden.
        
Nach dem obligatorischen Glas Sekt und einem Buffet, präsentierte 
          Ulrich Lorey einen historischen Ausflug in die 10-jährigen Aktivitäten. 
          WüSL engagiert sich neben dem Thema Assistenz vor allem auch in 
          Fragen der Barrierefreiheit. Hier konnten in den vergangenen Jahren, 
          wenn auch oft erst nach zähen Verhandlungen, durchaus Erfolge verzeichnet 
          werden. Dass WüSL die Arbeit auch in den nächsten Jahren nicht 
          ausgehen wird, zeigten einige dargestellte Beispiele auf. Sie ließen 
          die Frage aufkommen, ob es tatsächlich immer einen Häuserkampf, 
          sprich um einen Kampf um jedes einzelne barrierefreie Gebäude gehen 
          muss, oder ob es nicht doch bald selbstverständlich ist, die Belange 
          aller Bürgerinnen und Bürger zu berücksichtigen.
        
Wie es sich für eine Jubiläumsfeier gehört, gab es nicht 
          nur ernste Worte. So wagte Ulrich Lorey einen satirischen Blick ins 
          Jahr 2448, in dem es der Stadt Würzburg endlich gelungen war, sämtliche 
          abgeflachten Bussteige zu beseitigen, denn "schließlich kann 
          es nicht sein, dass behinderte Menschen uneingeschränkt den Personennahverkehr 
          nutzen können. Soviel Freiheit muss erst langsam gelernt sein, 
          um die Behinderten nicht zu überfordern."
        
Den 
          musikalischen Teil des Abends gestaltete die Band "Flic-Flac" 
          mit deutschen und englischen Oldies zum Mitsingen und Mittanzen animierte.