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Urteil 018

 
Aktenzeichen:
VG 8 A 7.00
OVG 6 SN 28.00

OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN

BESCHLUSS

In der Verwaltungsstreitsache
Land Berlin, vertreten durch das Bezirksamt Spandau von Berlin,
Abt. Soziales und Gesundheit – Sozialamt,
Fachbereich Rechts- und Widerspruchsstelle/Kosteneinziehung,
Hohenzollernring 14, 13585 Berlin,

Antragsgegner,

gegen .....................

Antragstellerin,

- Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwältin Rita Maria Brucker,
Schloßstraße 37, 14059 Berlin -

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin

am 11. September 2000 beschlossen:

Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für das Verfahren zweiter Instanz unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevoll­mächtigten bewilligt.

Der Antrag des Antragsgegners, die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin. vom 25. Januar 2000 zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Kosten dieses Antrags werden dem Antragsgegner auferlegt.

Gründe:

Die Antragstellerin erhielt auf Grund eines Bescheides des Bezirksamtes Spandau vom 18. März 2000 ab Februar 1998 eine als Nachbarschaftshilfe bezeichnete Hilfe zur Pflege in Höhe von 486 DM monatlich. Auf der Grundlage eines festgestellten Pflegebedarfs von 20 Wochenstunden errechnete das Bezirksamt Spandau bei einem Stundensatz von 15 DM einen monatlichen Bedarf von 1285,71 DM, auf den es das Pflegegeld der Stufe II nach § 37 SGB XI (800 DM) anrechnete. Die Antragstellerin verwandte die ihr von der Pflegeversicherung und als Hilfe zur Pflege zur Verfügung gestellten Mittel nach ihren Angaben für drei ihr seit vielen Jahren vertraute Pflegepersonen, die in ihrer Nachbarschaft wohnen. Mit Bescheid vom 29. November 1999 stellte das Bezirksamt Spandau die Hilfe zur Pflege mit Wirkung zum 31. Dezember 1999 mit der Begründung ein, dass mit dem Pflegegeld der Stufe II gemäß SGB XI die Aufwendungen der häuslichen Pflege abgedeckt seien. Diese Leistungen seien vorrangig einzusetzen und könnten durch den Träger der Sozialhilfe nicht aufgestockt weiden. Das Verwaltungsgericht hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 25. Januar 2000 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin ab Januar 2000. bis März 2000, längstens jedoch bis zur Bestandskraft des ablehnenden Bescheides vom 29. November 1999 weiterhin Hilfe zur Pflege in Höhe von 486 DM monatlich zu gewähren. Dessen Antrag, die Beschwerde gegen diesen Beschluss zuzulassen, muss ohne Erfolg bleiben, denn Gründe für die Zulassung der Beschwerde gemäß §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 VwGO zeigt der Antragsgegner nicht auf.

Soweit der Antragsgegner als Grund für die Zulassung der Beschwerde geltend macht, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), fehlt es schon an einer Darlegung der Rechtsfrage oder der mehreren Rechtsfragen, von deren Beantwortung die Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung abhängt (vgl. § 146 Abs. 5 S. 3 VwGO). Der allgemeine Hinweis auf das Bedürfnis für eine Grundsatzentscheidung des Senats am Schluss der Antragsschrift reicht nicht aus.

Die Beschwerde kann auch nicht nach §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zugelassen werden. Für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist auf der Grundlage des vom Bezirksamt Spandau selbst festgestellten Bedarfs ausschlaggebend, dass der Nachrang der Hilfe zur Pflege nach dem BSHG gegenüber den Leistungen der Pflegeversicherung die Hilfe zur Pflege in der bisher gewährten Höhe nicht ausschließt. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Auffassung, zeigt der Antragsgegner nicht auf.

Nach dem überzeugenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 2000 - BVerwG 5 C 34.99 - ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes, dass mit den Leistungen der Pflegeversicherung eine Vollversorgung in dem vom SGB XI erfassten Bereich pflegerischen Bedarfs angestrebt oder erreicht wird. Der Hilfebedürftige soll nach dem Willen des Gesetzgebers Hilfe zur Pflege nach dem BSHG in Anspruch nehmen, wenn er den Bedarf aus eigenen Mitteln nicht decken kann. Das Bundesverwaltungsgericht befasst sich zwar ausdrücklich nur mit dem ihm unterbreiteten Fall, dass der Hilfesuchende Pflegesachleistungen bezieht, Gründe für eine abweichende Entscheidung in dem hier vorliegenden Fall des Bezugs von Barleistungen gemäß § 37 SGB XI sei es aus allgemeinen Erwägungen, sei es aus speziellen gesetzlichen Regelungen zur Hilfe der Pflege vermag der Senat aber nicht zu erkennen.

Das Bezirksamt Spandau hat mit seinem allein auf das Aufstockungsverbot gestützten Bescheid vom 29. November 1999 die Grundlagen für die Bewilligung der Hilfe zur Pflege im Übrigen nicht in Frage gestellt. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass die bisherigen Leistungen ihre Rechtsgrundlage in § 69 b Abs. 1 BSHG finden. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Auffassung zeigt der Antragsgegner nicht auf. Es kann dahinstehen, ob es sich bei dieser Hilfe um Beihilfen im Sinne des § 69 b Abs. 1 Satz 1 oder um Kosten besonderer Pflegekräfte gemäß § 69 b Abs. 1 Satz 2 BSHG handelt. Soweit das Bezirksamt Spandau erstmals in dieser Instanz entgegen den bisherigen Erfahrungen und den regelmäßigen Überprüfungen gemäß § 37 Abs. 3 SGB XI die Qualifikation der für die Antragstellerin tätigen Pflegekräfte anzweifelt, handelt es sich um neues Vorbringen, das die Zulassung der Beschwerde nach der Rechtsprechung des Senats nicht rechtfertigt. Die Einstellung der Hilfe wäre im Übrigen vor einer gründlichen Überprüfung der Eignung der Pflegekräfte nicht zu rechtfertigen. Es steht der Behörde auch frei zu prüfen, ob die Antragstellerin Pflege in dem als notwendig angenommenen Umfang tatsächlich benötigt und die bewilligten Leistungen entsprechend ihrer Zweckbestimmung verwendet.

§ 69 c Abs. 4 Satz 1 BSHG schließt Leistungen nach § 69 b Abs. 1 nur insoweit aus, als der Pflegebedürftige in der Lage ist, zweckentsprechende Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften in Anspruch zu nehmen (vgl. dazu auch das Bundesverwaltungsgericht a. a. O.). Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass die Antragstellerin nicht auf die Inanspruchnahme von Sachleistungen verwiesen werden kann, weil der Träger der Sozialhilfe dann nach überschlägigen Berechnungen zusätzliche Leistungen in beträchtlicher Höhe übernehmen müsste, die er nicht angeboten hat. Dies stellt der Antragsgegner nicht in Frage. Auf die weiteren Fragen zur Anwendung des § 69 c Abs. 4 Satz 1 BSHG kommt es nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Freitag                                             Strecker                                             Fieting

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