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Assistenz und Lohnabrechnung

Hannes Messerschmid

von Johannes Messerschmid - Dipl.Soz.Päd.(FH)

Die Bedeutung eines Lohnabrechnungsservice für Menschen mit Assistenz

Die Durchführung einer steuerlich und sozialversicherungsrechtlich korrekten Lohnabrechnung für die beschäftigten AssistentInnen gehört mit zu den anspruchsvollsten Aufgaben, die wir als selbstbestimmt lebende Menschen mit Assistenz zu bewältigen haben.

Es ist einleuchtend und auch durch die Erfahrungen innerhalb der Beratungsstelle des Verbund behinderter Arbeitgeber - VbA-Selbstbestimmt Leben - eindeutig belegbar, dass die allermeisten Menschen, die sich die Finanzierung ihrer persönlichen Assistenz mühsam erkämpft haben, zuvor nichts mit Personalabrechnung oder ähnlichem zu tun hatten. In ihrer neuen Rolle sind die frisch gebackenen ArbeitgeberInnen mit den übrigen Personal-Management-Aufgaben, wie

  • AssistentInnensuche (Annoncen schalten, Aushänge verteilen, etc.)
  • AssistentInnenauswahl (telefonische Vorauswahl, Bewerbungsgespräche, etc.)
  • AssistentInnenanstellung (Vertragsabschluss, Vereinbarungen zur Probezeit, etc.)
  • AssistentInnenanleitung und Einarbeitung, sowie generell
  • Personalführung
ziemlich in Anspruch genommen. Dadurch verbleiben häufig nur wenig Kapazitäten zeitlicher und psychischer Art sich dem umfangreichen und komplizierten Bereich der Lohnabrechnung im erforderlichen Umfang zuzuwenden. Erschwerend kommt hinzu, dass zur Abwicklung der Lohnabrechnung entweder viel Zeit und handschriftliche Arbeit aufgewendet werden muss oder die Beschaffung und Einarbeitung in ein PC-System mit der entsprechenden Software erforderlich wird.

Die beschriebenen Umstände machen deutlich, dass die Einrichtung eines Lohnabrechnungsservice eine große Hilfe für den Start und die Fortführung einer selbstbestimmten Lebensführung mit Assistenz darstellt. Dies trifft noch in verstärktem Maße zu, wenn die Möglichkeit besteht, diesen Service speziell an den Bedürfnissen von behinderten ArbeitgeberInnen und deren AssistentInnen auszurichten.

Die Bedeutung eines Lohnabrechnungsservice für die beteiligten Kostenträger

Bei der Finanzierung von persönlicher Assistenz sind in aller Regel kommunale Kostenträger mit beteiligt, da das eigene Einkommen nicht ausreicht und ergänzende Finanzierungshilfen derzeit leider nur über die gesetzlichen Regelungen des BSHG (Bundessozialhilfegesetz) beantragt und erstritten werden können.

Das Verfahren zur Nachweisführung über die Verwendung der gewährten Finanzmittel ist gegenüber diesen Behörden häufig schwierig weil:

a) sie Sozialhilfeempfänger in der Funktion als ArbeitgeberInnen (ihrer AssistentInnen) nicht gewohnt sind, sondern nur Einrichtungen als Anstellungsträger von Hilfepersonal kennen und mit diesen abzurechnen verstehen bzw. nur diesen die zuverlässige Verwaltung größerer Beträge zutrauen

b) es kein normiertes Verfahren zur Nachweisführung gibt, sofern nicht, wie z. B. in München ein solches mit VertreterInnen der behinderten ArbeitgeberInnen von der Kommune ausgearbeitet wurde

c) die SachbearbeiterInnen in diesen Behörden selbst keine Fachkenntnisse in der Lohnbuchhaltung und Personalabrechnung haben

Auch in Bezug auf diese Problematik erweist sich (z. B. in München) die Einrichtung eines Lohnabrechnungsservice als hilfreiches Mittel zu deren Lösung. Als "neutrale" Stelle mit speziellen Fachkenntnissen auf dem Gebiet der Personalabrechnung kann sie sowohl gegenüber den Kostenträgern, als auch gegenüber den behinderten ArbeitgeberInnen als Orientierung gebende Instanz auftreten und dazu beitragen, dass praktische Lösungen für Abrechnungsfragen gefunden und ausgearbeitet werden können.

Dabei muss natürlich betont werden, dass ein solcher Service engstens und speziell mit den Bedürfnissen von behinderten ArbeitgeberInnen vertraut sein muss. Eine derartige Firma oder Einrichtung entspricht dieser Forderung selbstverständlich nur, wenn sie vorwiegend oder ausschließlich für diesen Kundenkreis arbeitet; besser noch wenn sie von behinderten Menschen selbst betrieben wird.

Die Entwicklung des Lohnabrechnungsservice innerhalb der Beratungsstelle des VbA-Selbstbestimmt Leben e. V. in München

Einige Monate nach Eröffnung der ersten Büroräume des VbA-Selbstbestimmt Leben e. V. im Juni 1996 übernahmen die dort tätigen behinderten MitarbeiterInnen den Kundenstamm, den ein Vereinsmitglied mit seiner Ein-Mann-Firma aufgebaut hatte. Die Kundinnen und Kunden bestanden ausnahmslos aus behinderten Menschen mit Assistenz, die die Durchführung ihrer Personalabrechnung nicht selbst erledigen konnten oder wollten.

Die Initiative der Ein-Mann-Firma hatte in kürzester Zeit großen Anklang unter behinderten Menschen mit Assistenz gefunden, die zum Teil erhebliche Schwierigkeiten mit den Anforderungen einer korrekten Lohnbuchhaltung für ihre AssistentInnen hatten. Die kleine Ein-Mann-Firma war schnell mit ihren Kapazitäten an der Grenze. Außerdem erschien es dem Firmengründer sinnvoll, diesen Tätigkeitsbereich in den Verein einzugliedern.

Die notwendige Hard- und Software wurde angeschafft und der Betrieb begann. Etwa zwei Jahre unterstützte der VbA mit diesem Arbeitsbereich 25-35 behinderte ArbeitgeberInnen. Während dieser Zeit konnten intensive Kontakte zum Sozialamt der Stadt München aufgebaut werden. Daraus entstand ein regelmäßig tagender Arbeitskreis, in dem alle Fragen bezüglich der Genehmigung und Nachweisführung von Finanzierungshilfen für persönliche Assistenz unter Mitsprache des VbA besprochen und verabschiedet wurden.

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung der 630-Mark-Jobs im April 1999 verkomplizierte sich die Lohnbuchhaltung erheblich, so dass der Lohnabrechnungsservice des VbA einen starken Zuwachs an Kundschaft zu verzeichnen hatte. Aufgrund dessen musste der VbA im Sommer 2000 eine Vollzeit-Fachkraft im Lohnabrechnungsservice einstellen. Um deren Finanzierung dauerhaft sicherzustellen, mussten zähe Verhandlungen mit dem Sozialamt geführt werden, die schließlich eine ausreichende Finanzierung der einzelnen durchgeführten Lohnabrechnungen für behinderte ArbeitgeberInnen zur Folge hatten.

Im April 2001 wurde eine zweite Vollzeit-Fachkraft angestellt, wodurch der VbA inzwischen knapp 100 behinderte ArbeitgeberInnen bei der Abrechnung ihrer persönlichen AssistentInnen unterstützen kann. Die knapp 100 ArbeitgeberInnen beschäftigen ungefähr 700 AssistentInnen.

Der Lohnabrechnungsservice liefert bei seiner Dienstleistung den behinderten ArbeitgeberInnen nicht nur die komplette Lohnabrechnung für die AssistentInnen, sondern auch alle Zahlen-Unterlagen zur Nachweisführung gegenüber dem Sozialhilfeträger. Diese professionellen und standardisierten Unterlagen sind eine auch für das Sozialamt sehr wertvolle Leistung, da auch die SachbearbeiterInnen besser damit zurecht kommen. Dies ist auch der Grund für die Finanzierung der Lohnabrechnungen durch das Sozialamt.

Ausblick

Die Beratungsstelle des VbA-Selbstbestimmt Leben lebt insgesamt gesehen sehr stark von ihren Angeboten bezüglich der Unterstützung bei der Beschäftigung und Abrechnung von AssistentInnen im Privathaushalt. Der Lohnabrechnungsservice ist in diesem Zusammenhang eine zentrale Abteilung in unserer Beratungsstelle.

Es ist vorstellbar, dass auch zukünftige gesetzliche Regelungen zur bundesweiten Finanzierung von persönlicher Assistenz in ihrer praktischen Umsetzung leichter gemacht werden können, unter Zuhilfenahme der Vorstellung von der Existenz solcher Lohnabrechnungsstellen, wie die des VbA-Selbstbestimmt Leben in München. Ein sowohl für Finanzgeber, als auch für behinderte ArbeitgeberInnen akzeptables Verbindungselement ist damit möglich.

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