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Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen e.V.


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Rechtliches » Urteile » Urteil 043


Az: 3 RK 12/96

BUNDESSOZIALGERICHT

Im Namen des Volkes

URTEIL

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 6. Februar 1997

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Klägerin und Revisionsbeklagte,

g e g e n

Betriebskrankenkasse der Freien und Hansestadt Hamburg, 22083 Hamburg, Hamburger Straße 197,

Beklagte und Revisionsbeklagte,

beigeladen:

Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales, 22083 Hamburg, Hamburger Straße 47, Revisionsklägerin.

Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 1997 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ladage, die Richter Dr. Naujoks und Schriever sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Holzlöhner und Meid für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beigeladenen wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 11. Juli 1996 geändert.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. März 1995 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte erst ab 30. Juni 1992 die Stromkosten der Klägerin für den Rollstuhl zu erstatten und zukünftig zu übernehmen hat.

Die weitergehende Revision der Beigeladenen wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Klägerin in allen Rechtszügen.

Gründe: I

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die beklagte Krankenkasse (KK) gemäß § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch (SGB V) auch für den Strom zum Wiederaufladen des Akkumulators („Akkus") im Elektrorollstuhl der Klägerin aufzukommen hat.

Die 1959 geborene Klägerin ist wegen einer spastischen Lähmung auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie arbeitet in einer Werkstatt für Behinderte und erhält von der beigeladenen Stadt Hamburg (H.) Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt). Am 14. August 1992 beantragte die Klägerin die Übernahme der Stromkosten für das Wiederaufladen des Akkus ihres von der Beklagten als Hilfsmittel gestellten Elektrorollstuhls und fügte zur Erläuterung eine Stromrechnung vom 7. Juli 1992 mit einer Nachzahlungsforderung über DM 432,34 für die Zeit vom 22. Juni 1991 bis 29. Juni 1992 bei, die später vom Sozialhilfeträger bezahlt worden ist. Durch Schreiben vom14. August 1992 und förmlichen Bescheid vom 10. September 1992 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da die Übernahme von Aufladekosten nicht zu ihren Leistungen gehöre. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 1993 zurück.

Das Sozialgericht (SG) hat die Bescheide aufgehoben und die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin „ab 22.6.1991 die ihr durch den Betrieb ihres elektrischen Rollstuhls entstandenen Kosten und entstehenden Stromkosten" zu erstatten (Urteil vom 30.März 1995). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 11. Juli 1996): Hilfsmittel iS des § 33 Abs. 1 SGB V könnten nur Sachen sein, nicht aber Elektrizität. Es handele sich ferner um Kosten der allgemeinen Lebenshaltung, die von der Krankenversicherung nicht zu übernehmen seien.

Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Beigeladenen; gerügt wird die Verletzung des § 33 Abs. 1 SGB V.

Die Beigeladene beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 11.Juli 1996 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. März 1995 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Beigeladenen zurückzuweisen.

II.

1. Die Revision der Beigeladenen ist zulässig und im wesentlichen begründet: Die Beklagte hat ab 30. Juni 1992 die Stromkosten der Klägerin für das Aufladen des Rollstuhlakkus zu erstatten und zukünftig zu übernehmen. Für die Zeit vom 22. Juni 1991 bis 29. Juni 1992, in der die Stromrechnung der Klägerin bereits von der Beigeladenen bezahlt worden ist, gilt der Anspruch der Klägerin gemäß § 107 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X) als erfüllt; der Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits.

Die Zulässigkeit der Revisionseinlegung durch die Beigeladene ergibt sich aus § 91a Satz 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG), wonach der erstattungsberechtigte Träger der Sozialhilfe die Feststellung eines Sozialleistungsanspruchs betreiben sowie Rechtsmittel einlegen kann. Durch diese gesetzliche Prozessstandschaft (vgl. BSGE 11, 295, 296 = SozR Nr. 1 zu § 1538 RVO aF; Schellhorn/Jirasek/Seipp, Komm zum BSHG, 14. Aufl. 1993, § 91a RdNr. 15) kann die Beigeladene das Recht der Klägerin im eigenen Namen geltend machen. Dass die Beigeladene für die Zeit ab 30. Juni 1992 noch keine Stromkosten übernommen hat, steht ihrem Prozessführungsrecht nicht entgegen; es reicht zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „erstattungsberechtigt" hinsichtlich des gesamten Zeitraums aus, dass sie einen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X haben kann (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 11), weil die Vorschrift sonst neben § 104 SGB X keine sinnvolle Ergänzung darstellen würde (vgl. Schellhorn/Jirasek/Seipp, Komm zum BSHG, 14. Aufl. 1993, § 91a RdNr. 11; aA Knopp/Fichtner, BSHG, 7. Aufl. 1992, § 91a RdNr. 3a). Aus der ausdrücklichen Erwähnung der Rechtsmittelbefugnis folgt, dass es auf die eigenen in den Vorinstanzen gestellten Anträge und auf eine eigene materielle Beschwer nicht ankommt. Der Klageart nach handelt es sich sowohl hinsichtlich der Erstattung der bereits bezahlten Stromkosten als auch hinsichtlich der zukünftigen Versorgung mit Strom (oder entsprechender Kostenübernahme) um eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Soweit sie auf Erstattung gerichtet ist, ist sie ohne genaue Bezifferung der rollstuhlbedingten Strommehrkosten zulässig, da auch insoweit zur Leistung dem Grunde nach verurteilt werden kann (§ 130 Satz 1 SGG).

2. Der Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit dem Hilfsmittel „Elektrorollstuhl mit Akku" umfaßt auch die Versorgung mit der zum Wiederaufladen des Akkus erforderlichen Elektrizität bzw auch die Erstattung entsprechender Stromkosten.

Nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Der Anspruch umfaßt nach Satz 2 der Vorschrift auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch. Nach § 34 Abs 4 Satz 1 SGB V kann der Bundesminister für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Heil- und Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die KK nicht übernimmt; nach Satz 2 kann die Rechtsverordnung auch bestimmen, inwieweit geringfügige Kosten der notwendigen Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung nicht übernommen werden. Die aufgrund dieser Ermächtigung erlassene Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung (HMVO) vom 13. Dezember 1989 (BGBl I 2237), zuletzt geändert durch Verordnung vom 17. Januar 1995 (BGBl I 44) sieht einen Ausschluß von Ladestrom für Rollstühle nicht vor.

Unschädlich ist, dass die Klägerin für ihre Ansprüche aus der Vergangenheit nicht die Sachleistung, sondern Kostenerstattung für die von ihr bereits an den Stromlieferanten gezahlten Stromgebühren verlangt. Dabei geht es auch für die Zeit vom 30. Juni bis 13. August 1992 nicht um Leistungen für Zeiträume vor Antragstellung, weil die Antragstellung für die Betriebskosten eines Hilfsmittels bereits in dem Antrag auf das Hilfsmittel selbst, hier also den Elektrorollstuhl, zu sehen ist. Im übrigen handelte es sich um eine unaufschiebbare, nicht rechtzeitig erbrachte Leistung, da die Klägerin auf die Einsatzfähigkeit des Rollstuhls angewiesen ist (§ 13 Abs. 3, 1. Alternative SGB V), so dass ihr ein Kostenerstattungsanspruch zusteht, soweit der Sachleistungsanspruch nicht mehr erfüllt werden kann.

Der Anspruch nach § 33 Abs. 1 SGB V umfasst nach der bisherigen ständigen Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch Teile und Zubehörteile, die nicht den Begriff des wesentlichen Bestandteils erfüllen, wenn sie nur zum Gebrauch des Hilfsmittels erforderlich sind (vgl. etwa BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 16 ; vgl. unter Geltung der RVO: BSGE 46, 183, 185 = SozR 2200 § 182b Nr. 7 und BSG SozR 2200 § 182b Nr. 11 ; zur Rechtslage nach § 33 SGB V vgl. BT-Drucks 11/2237, S 174: „... mit dem dazu individuell nötigen Zubehör", sowie die oben genannte Entscheidung zum Lese-Sprechgerät). Von daher fallen bei einem Elektrorollstuhl unter den Begriff des Hilfsmittels entsprechend auch der zum Gebrauch erforderliche Akku und das zu seinem Aufladen erforderliche Ladegerät – mit denen die Klägerin hier von der Beklagten deshalb zu Recht versorgt worden ist.

Der Anspruch auf ein Hilfsmittel umfasst nach der Rechtssprechung des BSG aber noch weitergehend alles, was erforderlich ist, um dem Versicherten den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Hilfsmittels zu ermöglichen (BSG SozR 3-2200 § 182b Nr. 3 ; BSGE 51, 206 = SozR 2200 §182b Nr. 19 , BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 11 ).

Auf den – vom LSG für maßgeblich gehaltenen – Gesichtspunkt des „körperlichen Gegenstandes" kommt es dabei nicht an. § 33 Abs.1 Satz 2 SGB V lässt mit der Einbeziehung einer unkörperlichen Leistung („Ausbildung in seinem Gebrauch") das Gegenteil erkennen. Es muss insoweit zwischen dem eigentlichen Hilfsmittel und der Gewährleistung seines Gebrauchs unterschieden werden. Die erwähnten vom Senat zugesprochenen Kosten einer gesetzlich vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung für einen Elektrorollstuhl betrafen ebenfalls bereits eine zum Gebrauch notwendige unkörperliche Leistung (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 11).

Soweit zum Betrieb eines Gerätes, das als Hilfsmittel geleistet wird, auch eine Energieversorgung gehört, ist diese ebenfalls von der Krankenkasse zu übernehmen. Dementsprechend wurde für den Betrieb des Hilfsmittels „Hörgerät" auch die (Erst)-Ausstattung mit Batterien zugesprochen (BSGE 46, 183 = BSG SozR 2200 § 182b Nr. 7). Soweit dort erwogen worden ist, dass „der einfache Betrieb" eines Hilfsmittel dem „normalen Lebensbereich des Versicherten" zuzurechnen sein könne und dann kostenmäßig auch von ihm selbst zu tragen sei, geschah dies im Hinblick auf die Rechtssprechung des Reichsversichertenamts (Entscheidung vom 10. Januar 1935, II a K 36/34, AN 1935, 162, 163), das die Übernahme der Stromkosten eines elektrischen Heizkissens aus dem Gedanken des zumutbaren Eigenanteils und der Unmöglichkeit der konkreten Berechnung abgelehnt hatte. Für eine solche Leistungseinschränkung gibt es nach den Vorschriften der §§ 33 ff SGB V im Hinblick auf die Stromkosten für einen Elektrorollstuhl keine Grundlage. Diese Kosten könnten nicht ohne weiteres als geringfügig angesehen werden, wenn man mit der bisherigen Rechtssprechung des BSG jährliche Kosten bis zu 150,- DM darunter fasst (vgl. BSG SozR 3-2500 §34 Nr. 2 und Nr. 4). Die von der Klägerin auf mehrere hundert DM geschätzten Stromkosten liegen deutlich darüber und sind nachvollziehbar. Ohnehin käme aber ein Ausschluss wegen Geringfügigkeit nur in Betracht, wenn er in der HMVO ausdrücklich angeordnet worden wäre, was – wie bereits erwähnt – nicht der Fall ist. Es bestehen auch in technischer oder abrechnungsmäßiger Hinsicht für eine Kostenübernahme durch die Beklagte keine unüberwindbaren Hindernisse. So lässt sich daran denken, dass die Beklagte für die Klägerin einen besonderen Stromanschluss mit eigenem Zähler installieren lässt, der nur zum Aufladen des Rollstuhlakkus dient. Sofern dies einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern sollte, kann es der Beklagten im Rahmen der ihr obliegenden Wirtschaftlichkeitserwägungen unter Umständen auch nicht verwehrt sein, die durchschnittlichen monatlichen Kosten zu ermitteln und der Klägerin pauschal zu erstatten. Das grundsätzliche Sachleistungsgebot schließt das nicht aus (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 11 zu den Kosten einer Haftpflichtversicherung).

Auch der Umstand, dass Stromkosten praktisch in jedem Haushalt anfallen und somit Kosten der allgemeinen Lebenshaltung sind, rechtfertigt es nicht, die Klägerin mit den Stromkosten für den Elektrorollstuhl zu belasten. Die KK braucht zwar allgemeine Gegenstände des täglichen Lebens nicht als Hilfsmittel zu gewähren. Der Grund dafür liegt darin, dass sie nur für solche Mittel aufzukommen hat, die spezifisch einer Behinderung entgegenwirken, indem sie eigens für diesen Zweck hergestellt werden oder zumindest ganz überwiegend von Behinderten benutzt werden (vgl. dazu die Urteile des Senats vom 6. Februar 1997 – 3 RK 1/96 und 3 RK 9/96). Wenn dagegen die Leistungspflicht der KK für ein Hilfsmittel feststeht, gehört es nur zur vollständigen Leistungserbringung, wenn auch die anfallenden Betriebskosten übernommen werden (so auch Heinze in Gesamtkomm zum SGB, Bd 5, § 182b Anm 3; Höfler in Kasseler Komm, Bd 1, § 33 SGB V Rn 53).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Urteil 043

Az: 3 RK 12/96

BUNDESSOZIALGERICHT

Im Namen des Volkes

URTEIL

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 6. Februar 1997

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Klägerin und Revisionsbeklagte,

g e g e n

Betriebskrankenkasse der Freien und Hansestadt Hamburg,
22083 Hamburg, Hamburger Straße 197,

Beklagte und Revisionsbeklagte,

beigeladen:

Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales, 22083 Hamburg, Hamburger Straße 47,

Revisionsklägerin.

Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 1997 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ladage, die Richter Dr. Naujoks und Schriever sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Holzlöhner und Meid für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beigeladenen wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 11. Juli 1996 geändert.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. März 1995 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte erst ab 30. Juni 1992 die Stromkosten der Klägerin für den Rollstuhl zu erstatten und zukünftig zu übernehmen hat.

Die weitergehende Revision der Beigeladenen wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Klägerin in allen Rechtszügen.

Gründe: I

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die beklagte Krankenkasse (KK) gemäß § 33 Abs 1 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch (SGB V) auch für den Strom zum Wiederaufladen des Akkumulators („Akkus") im Elektrorollstuhl der Klägerin aufzukommen hat.

Die 1959 geborene Klägerin ist wegen einer spastischen Lähmung auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie arbeitet in einer Werkstatt für Behinderte und erhält von der beigeladenen Stadt Hamburg (H.) Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt). Am 14. August 1992 beantragte die Klägerin die Übernahme der Stromkosten für das Wiederaufladen des Akkus ihres von der Beklagten als Hilfsmittel gestellten Elektrorollstuhls und fügte zur Erläuterung eine Stromrechnung vom 7. Juli 1992 mit einer Nachzahlungsforderung über DM 432,34 für die Zeit vom 22. Juni 1991 bis 29. Juni 1992 bei, die später vom Sozialhilfeträger bezahlt worden ist. Durch Schreiben vom14. August 1992 und förmlichen Bescheid vom 10. September 1992 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da die Übernahme von Aufladekosten nicht zu ihren Leistungen gehöre. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 1993 zurück.

Das Sozialgericht (SG) hat die Bescheide aufgehoben und die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin „ab 22.6.1991 die ihr durch den Betrieb ihres elektrischen Rollstuhls entstandenen Kosten und entstehenden Stromkosten" zu erstatten (Urteil vom 30.März 1995). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 11. Juli 1996): Hilfsmittel iS des § 33 Abs 1 SGB V könnten nur Sachen sein, nicht aber Elektrizität. Es handele sich ferner um Kosten der allgemeinen Lebenshaltung, die von der Krankenversicherung nicht zu übernehmen seien.

Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Beigeladenen; gerügt wird die Verletzung des § 33 Abs 1 SGB V.

Die Beigeladene beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 11.Juli 1996 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. März 1995 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Beigeladenen zurückzuweisen.

II.

1. Die Revision der Beigeladenen ist zulässig und im wesentlichen begründet: Die Beklagte hat ab 30. Juni 1992 die Stromkosten der Klägerin für das Aufladen des Rollstuhlakkus zu erstatten und zukünftig zu übernehmen. Für die Zeit vom 22. Juni 1991 bis 29. Juni 1992, in der die Stromrechnung der Klägerin bereits von der Beigeladenen bezahlt worden ist, gilt der Anspruch der Klägerin gemäß § 107 Abs 1 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X) als erfüllt; der Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers nach § 104 Abs 1 Satz 1 SGB X ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits.

Die Zulässigkeit der Revisionseinlegung durch die Beigeladene ergibt sich aus § 91a Satz 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG), wonach der erstattungsberechtigte Träger der Sozialhilfe die Feststellung eines Sozialleistungsanspruchs betreiben sowie Rechtsmittel einlegen kann. Durch diese gesetzliche Prozessstandschaft (vgl. BSGE 11, 295, 296 = SozR Nr. 1 zu § 1538 RVO aF; Schellhorn/Jirasek/Seipp, Komm zum BSHG, 14. Aufl. 1993, § 91a RdNr. 15) kann die Beigeladene das Recht der Klägerin im eigenen Namen geltend machen. Dass die Beigeladene für die Zeit ab 30. Juni 1992 noch keine Stromkosten übernommen hat, steht ihrem Prozessführungsrecht nicht entgegen; es reicht zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „erstattungsberechtigt" hinsichtlich des gesamten Zeitraums aus, dass sie einen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X haben kann (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 11), weil die Vorschrift sonst neben § 104 SGB X keine sinnvolle Ergänzung darstellen würde (vgl. Schellhorn/Jirasek/Seipp, Komm zum BSHG, 14. Aufl. 1993, § 91a RdNr. 11; aA Knopp/Fichtner, BSHG, 7. Aufl. 1992, § 91a RdNr. 3a). Aus der ausdrücklichen Erwähnung der Rechtsmittelbefugnis folgt, dass es auf die eigenen in den Vorinstanzen gestellten Anträge und auf eine eigene materielle Beschwer nicht ankommt.

Der Klageart nach handelt es sich sowohl hinsichtlich der Erstattung der bereits bezahlten Stromkosten als auch hinsichtlich der zukünftigen Versorgung mit Strom (oder entsprechender Kostenübernahme) um eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Soweit sie auf Erstattung gerichtet ist, ist sie ohne genaue Bezifferung der rollstuhlbedingten Strommehrkosten zulässig, da auch insoweit zur Leistung dem Grunde nach verurteilt werden kann (§ 130 Satz 1 SGG).

2. Der Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit dem Hilfsmittel „Elektrorollstuhl mit Akku" umfasst auch die Versorgung mit der zum Wiederaufladen des Akkus erforderlichen Elektrizität bzw. auch die Erstattung entsprechender Stromkosten.

Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Der Anspruch umfasst nach Satz 2 der Vorschrift auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch. Nach § 34 Abs. 4 Satz 1 SGB V kann der Bundesminister für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Heil- und Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die KK nicht übernimmt; nach Satz 2 kann die Rechtsverordnung auch bestimmen, inwieweit geringfügige Kosten der notwendigen Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung nicht übernommen werden. Die aufgrund dieser Ermächtigung erlassene Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung (HMVO) vom 13. Dezember 1989 (BGBl I 2237), zuletzt geändert durch Verordnung vom 17. Januar 1995 (BGBl I 44) sieht einen Ausschluss von Ladestrom für Rollstühle nicht vor.

Unschädlich ist, dass die Klägerin für ihre Ansprüche aus der Vergangenheit nicht die Sachleistung, sondern Kostenerstattung für die von ihr bereits an den Stromlieferanten gezahlten Stromgebühren verlangt. Dabei geht es auch für die Zeit vom 30. Juni bis 13. August 1992 nicht um Leistungen für Zeiträume vor Antragstellung, weil die Antragstellung für die Betriebskosten eines Hilfsmittels bereits in dem Antrag auf das Hilfsmittel selbst, hier also den Elektrorollstuhl, zu sehen ist. Im übrigen handelte es sich um eine unaufschiebbare, nicht rechtzeitig erbrachte Leistung, da die Klägerin auf die Einsatzfähigkeit des Rollstuhls angewiesen ist (§ 13 Abs. 3, 1. Alternative SGB V), so dass ihr ein Kostenerstattungsanspruch zusteht, soweit der Sachleistungsanspruch nicht mehr erfüllt werden kann.

Der Anspruch nach § 33 Abs. 1 SGB V umfasst nach der bisherigen ständigen Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch Teile und Zubehörteile, die nicht den Begriff des wesentlichen Bestandteils erfüllen, wenn sie nur zum Gebrauch des Hilfsmittels erforderlich sind (vgl. etwa BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 16 ; vgl. unter Geltung der RVO: BSGE 46, 183, 185 = SozR 2200 § 182b Nr. 7 und BSG SozR 2200 § 182b Nr. 11 ; zur Rechtslage nach § 33 SGB V vgl. BT-Drucks 11/2237, S 174: „... mit dem dazu individuell nötigen Zubehör", sowie die oben genannte Entscheidung zum Lese-Sprechgerät). Von daher fallen bei einem Elektrorollstuhl unter den Begriff des Hilfsmittels entsprechend auch der zum Gebrauch erforderliche Akku und das zu seinem Aufladen erforderliche Ladegerät – mit denen die Klägerin hier von der Beklagten deshalb zu Recht versorgt worden ist.

Der Anspruch auf ein Hilfsmittel umfasst nach der Rechtssprechung des BSG aber noch weitergehend alles, was erforderlich ist, um dem Versicherten den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Hilfsmittels zu ermöglichen (BSG SozR 3-2200 § 182b Nr. 3 ; BSGE 51, 206 = SozR 2200 §182b Nr. 19 , BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 11 ).

Auf den – vom LSG für maßgeblich gehaltenen – Gesichtspunkt des „körperlichen Gegenstandes" kommt es dabei nicht an. § 33 Abs. 1 Satz 2 SGB V lässt mit der Einbeziehung einer unkörperlichen Leistung („Ausbildung in seinem Gebrauch") das Gegenteil erkennen. Es muss insoweit zwischen dem eigentlichen Hilfsmittel und der Gewährleistung seines Gebrauchs unterschieden werden. Die erwähnten vom Senat zugesprochenen Kosten einer gesetzlich vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung für einen Elektrorollstuhl betrafen ebenfalls bereits eine zum Gebrauch notwendige unkörperliche Leistung (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 11).

Soweit zum Betrieb eines Gerätes, das als Hilfsmittel geleistet wird, auch eine Energieversorgung gehört, ist diese ebenfalls von der Krankenkasse zu übernehmen. Dementsprechend wurde für den Betrieb des Hilfsmittels „Hörgerät" auch die (Erst)-Ausstattung mit Batterien zugesprochen (BSGE 46, 183 = BSG SozR 2200 § 182b Nr 7). Soweit dort erwogen worden ist, dass „der einfache Betrieb" eines Hilfsmittel dem „normalen Lebensbereich des Versicherten" zuzurechnen sein könne und dann kostenmäßig auch von ihm selbst zu tragen sei, geschah dies im Hinblick auf die Rechtssprechung des Reichsversichertenamts (Entscheidung vom 10. Januar 1935, II a K 36/34, AN 1935, 162, 163), das die Übernahme der Stromkosten eines elektrischen Heizkissens aus dem Gedanken des zumutbaren Eigenanteils und der Unmöglichkeit der konkreten Berechnung abgelehnt hatte. Für eine solche Leistungseinschränkung gibt es nach den Vorschriften der §§ 33 ff SGB V im Hinblick auf die Stromkosten für einen Elektrorollstuhl keine Grundlage. Diese Kosten könnten nicht ohne weiteres als geringfügig angesehen werden, wenn man mit der bisherigen Rechtssprechung des BSG jährliche Kosten bis zu 150,- DM darunter fasst (vgl. BSG SozR 3-2500 §34 Nr. 2 und Nr. 4). Die von der Klägerin auf mehrere hundert DM geschätzten Stromkosten liegen deutlich darüber und sind nachvollziehbar. Ohnehin käme aber ein Ausschluss wegen Geringfügigkeit nur in Betracht, wenn er in der HMVO ausdrücklich angeordnet worden wäre, was – wie bereits erwähnt – nicht der Fall ist. Es bestehen auch in technischer oder abrechnungsmäßiger Hinsicht für eine Kostenübernahme durch die Beklagte keine unüberwindbaren Hindernisse. So lässt sich daran denken, dass die Beklagte für die Klägerin einen besonderen Stromanschluss mit eigenem Zähler installieren lässt, der nur zum Aufladen des Rollstuhlakkus dient. Sofern dies einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern sollte, kann es der Beklagten im Rahmen der ihr obliegenden Wirtschaftlichkeitserwägungen unter Umständen auch nicht verwehrt sein, die durchschnittlichen monatlichen Kosten zu ermitteln und der Klägerin pauschal zu erstatten. Das grundsätzliche Sachleistungsgebot schließt das nicht aus (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 11 zu den Kosten einer Haftpflichtversicherung).

Auch der Umstand, dass Stromkosten praktisch in jedem Haushalt anfallen und somit Kosten der allgemeinen Lebenshaltung sind, rechtfertigt es nicht, die Klägerin mit den Stromkosten für den Elektrorollstuhl zu belasten. Die KK braucht zwar allgemeine Gegenstände des täglichen Lebens nicht als Hilfsmittel zu gewähren. Der Grund dafür liegt darin, dass sie nur für solche Mittel aufzukommen hat, die spezifisch einer Behinderung entgegenwirken, indem sie eigens für diesen Zweck hergestellt werden oder zumindest ganz überwiegend von Behinderten benutzt werden (vgl. dazu die Urteile des Senats vom 6. Februar 1997 – 3 RK 1/96 und 3 RK 9/96). Wenn dagegen die Leistungspflicht der KK für ein Hilfsmittel feststeht, gehört es nur zur vollständigen Leistungserbringung, wenn auch die anfallenden Betriebskosten übernommen werden (so auch Heinze in Gesamtkomm zum SGB, Bd 5, § 182b Anm 3; Höfler in Kasseler Komm, Bd 1, § 33 SGB V Rn 53).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

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