Bundesverband
Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen e.V.


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Urteil 026

Verwaltungsgericht Freie
der Freien Hansestadt Bremen
Az: 7 V 60/02

Beschluss
ln der Verwaltungsrechtssache

des Herrn xxx,
Antragsteller,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen Gajda u.a., Fedelhören 6, 28203 Bremen,

gegen

die Stadt xxx
Antragsgegnerin,
Prozessbevollmächtigter.
Rechtsanwalt Dr. jur. Peter Guhl, Schüsselkorb 17 - 18, 28195 Bremen,

hat das Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 7. Kammer - durch Richter Zimmermann. Richter Hagedorn und Richterin Dr. Jörgensen am 19.03.2002 beschlossen:

Die Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller bis zur Entscheidung über seine Klage 7 K 59/02 Eingliederungshilfe (persönliche Assistenz) im Umfang von fünf Stunden täglich zu gewähren.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Streitwert wird zum Zwecke der Kostenberechnung auf 15.000,00 Euro festgesetzt.

Dem Antragsteiler wird Prozesskostenhilfe bewilligt; ihm wird Rechtsanwältin Galda zur Vertretung beigeordnet

Gründe

1.
Der schwerbehinderte Antragsteller begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO) von der Antragsgegnerin Eingliederungshilfe gern, §§ 39,40 Abs. 1 N. 8 BSHG, wegen der Behinderungen des Antragstellers, den hiermit im Zusammenhang stehenden Anträgen auf Gewährung bestimmter Hilfe- und Pflegeleistungen und des behördlichen Verfahrenes bis zur Einlegung des Widerspruches vom 07.06.2001 gegen den Bescheid des Sozialamtes der Antragsgegnerin vom 10.05.2001 wird auf den in der Sache 7 V 1066101 ergangenen Beschluss der Kammer vom 20.09.2001 verwiesen,

Die Antragsgegnerin hat den Widerspruch gegen den o.g. Bescheid mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2001 als unbegründet zurückgewiesen, Zur Begründung heißt es, vorliegend komme das Sozialamt auch nach nochmaliger eingehender Prüfung der Angelegenheit zu dem Schluss, dass dem Antragsteller ein Wechsel der ambulanten zur stationären Hilfe zumutbar sei, Die derzeit dem Antragsteller gegenüber erbrachte Hilfe durch den Pflegedienst Nordsee-Pflege sei gegenüber der geeigneten stationären Hilfeerbringung durch die Mitarbeiter der von den Elbe- Weser-Werkstätten (EWW) betriebenen Wohnstätte Walter-Mülich-Haus (WMH) mit unverhältnismäßigen Mehrkosten i.S. von § 3a BSHG verbunden, In der stationären Einrichtung des WMH befänden sich mehrere pflegebedürftige und behinderte Personen, die den gleichen Hilfebedarf hätten wie der Antragsteller. Die Mitarbeiter der Einrichtung hätten mit diesem Personenkreis langjährige Erfahrungen und deckten - auch den pflegerischen - Bedarf mit dem entsprechenden Personalschlüssel ab, ohne dass zusätzliches Personal erforderlich sei, der tatsächliche Bedarf des Antragstellers und der Umfang der Pflege und Betreuung durch das Personal des WMH seien aufgeklärt worden. Zweifel an der Sicherstellung des Hilfebedarfs bei der Leistungserbringung durch diese Einrichtung seien ausgeräumt, der Antragsteller sei seiner Mitwirkungspflicht in Form von Kontaktaufnahme mit der stationären Einrichtung nicht nachgekommen, eine Unterversorgung des Antragstellers sei nicht abzusehen, alle notwendigen Hilfeleistungen wie Unterkunft und Verpflegung, Betreuung, Förderung, Pflege, Anleitung u.ä.  seien von dem Tagessatz von DM 214,28 umfasst, die Mitarbeiter des WMH seien in der Lage, mit der Sprachbehinderung des Antragstellers umzugehen, da sich zurzeit auch sprachbehinderte Personen im Kernbereich der EWW aufhielten, der Antragsteller könne selbst bestimmen, zu welchen Zeiten er persönlich Hilfen abfordere und wann er mit dem Notrufsystem auskomme, im Gegensatz zu den derzeitigen Assistenten der Nordsee-Pflege handele es sich bei dem Personal des WMH um ausgebildete Fachkräfte i, S. des SGB IX. Nach Auffassung des Sozialamtes wäre es dem Antragsteller ggf. auch zuzumuten, in der Kerneinrichtung des WMH zu wohnen, Es bestehe jedoch nicht darauf und wolle dem Wunsch des Antragstellers, in der jetzigen Wohnung in der Weserstraße 85 in Bremerhaven zu verbleiben, auch nachkommen, Diese müsse dann jedoch nach Eintritt des WMH in den Mietvertrag in eine sog, Außenwohnung, eine dem Heim (stationär) organisatorisch zugeordnete betreute Wohneinrichtung umgewandelt werden. Es sei nicht richtig, dass tagsüber kein Personal in den Außenwohnungen sei. Bei entsprechender Absprache mit den Mitarbeitern der stationären Einrichtung, seien diese tagsüber sehr wohl vor Ort. Sie würden seinen individuellen Bedürfnissen wie der Unterstützung am Computer, der Darreichung von Getränken und dem Toilettengang in jedem Fall gerecht. Die Aufgabe der ambulant organisierten Wohnform stelle keinen so erheblichen Eingriff dar. Der einen Wechsel in eine stationäre Wohnform unzumutbar mache, zwischen der stationären Einrichtung und dem Antragsteller wäre ein Heimvertrag nach § 4 des Heimgesetzes zu schließen, der einem Mietverhältnis mit seinen Rechten und Pflichten ähnele, der Antragsteller könne Einfluss auf die Qualität der wohnlichen Versorgung, der Pflege, der Eingliederungshilfe und der Beköstigung nehmen und hätte mit dem ihm zustehenden Taschengeld zusätzliche finanzielle Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes, da alle weiteren Leistungen bereits durch den Pflegesatz gedeckt wären, das Sozialamt sei bereit, ab 01.01.2002 gem. § 69b BSHG die entstehenden Kosten der häuslichen Pflege entsprechend der festgestellten Leistungskomplexe (7,48 Stunden täglich) abzüglich der Leistungen seiner Pflegekasse und der zu bewilligenden Beihilfen weiterhin zu übernehmen, die Ãœbernahme der Assistenzkosten werde aber abgelehnt. Am 09.01.2002 hat der Antragsteller Klage gegen die o.g. Bescheide erhoben und den Erlass einer einstweiligen Anordnung, gerichtet auf die vorläufige Gewährung von Eingliederungshilfe von fünf Stunden täglich - neben der von der Antragsgegnerin bis zur Entscheidung in der Hauptsache zugesicherten Hilfe zur Pflege - beantragt. Zur Begründung lässt er vortragen, der hohe Pflegebedarf von acht Stunden täglich sei im Rahmen der stationären Hilfe durch das WMH nicht gewährleistet, neben der Pflege bedürfe er auch der Eingliederungshilfe im beantragten Umfang, ohne Unterstützung könne er nicht am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben teilnehmen, sich anderen nicht mitteilen, nicht telefonieren, keine Briefe schreiben, nicht lesen, weder Radio noch Fernseher bedienen, nicht spazieren gehen, und keine Freizeitveranstaltungen besuchen. Wegen seiner vielfältigen Aktivitäten auf kulturellen Gebiet, im Freizeitbereich sowie seines sozialpolitischen Engagements benötige er in hohem zeitlichen Umfang Begleitpersonen, u.a. für die notwendigen Fahrten, die Teilnahme an Sitzungen, Schreibtätigkeiten etc. erforderlich für die Deckung der vom Antragsteller benötigten Pflegeleistungen und Eingliederungshilfe im Umfang von insgesamt 16 Stunden täglich sei ein Personalschlüssel von 4 : 1. Dies sei bei einer stationären Hilfegewährung durch das Personal des WMH und den dortigen Personalschlüssel von 2 : 1 nicht möglich, der von der Antragsgegnerin genannte Tagessatz sei kalkuliert im Hinblick auf die Mehrzahl der in den Außenwohnungen lebenden Behinderten, die weniger beeinträchtigt und tagsüber in den Behindertenwerkstätten beschäftigt seien. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass jederzeit Mitarbeiter zur Stelle wären, wenn der Antragsteller sie benötigte. Diese Mitarbeiter seien mit der Pflege anderer Bewohner beschäftigt und müssten diese Tätigkeit jedesmal unterbrechen, wenn sie zum Antragsteller gerufen würden. Außerdem benötige der Antragsteller sowohl im Rahmen der Pflege als auch bei seiner Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben nicht nur Rufbereitschaft, sondern Hilfen durch ständig anwesende Assistenten, hinzukomme, dass der Antragsteller wegen seiner Sprachbehinderung auf die Auswahl und Kontinuität des Betreuungspersonals Einfluss nehmen müsse, was bei der stationären Pflege nicht gewährleistet sei, zurzeit werde er von zwei festen Assistenten und einer Ersatzkraft unterstützt, eine stationäre Unterbringung stehe außerdem einem selbstbestimmten Leben entgegen, der Kläger sei nicht mehr Mieter sondern Heimbewohner und müsse damit rechnen, jederzeit von der Außenwohnung in den Kernbereich des WMH wechseln zu müssen, wo Heimbewohner lebten, deren Schwere der Behinderung mit der des Antragstellers vergleichbar seien. Er könnte weder die Wohnung noch den Pflegedienst wechseln, eine so grundlegende Änderung seiner Lebenssituation verstoße gegen das in § 3 Abs, 1 und 2 BSHG enthaltene Gebot, die persönlichen Verhältnisse des Hilfeempfängers und dessen angemessene Wünsche zu berücksichtigen sowie gegen das Benachteiligungsverbot nach § 1 SGB IX, Art, 3 Ab., 3 Satz 2 GG, Er habe auch seiner Mitwirkungspflicht genügt, Er habe bereits im Oktober und November 2000 Gespräche mit dem Heimleiter des WMH. Herrn Tluk geführt, nach Aufforderung durch die Antragsgegnerin habe er am 08.03.2001 an einem Vorstellungsgespräch bei der EWW, bei Frau Abel, teilgenommen. Ende April 2001 habe er den Geschäftsführer der Werkstatt der EWW Herrn Frandsen, getroffen und sich nach dem Ergebnis der Beratung erkundigt. Daraufhin sei es am 07.06.2001 zu einem weiteren Termin mit Frau Mey-Timmer von der EWW gekommen. Eine Beschäftigung sei dem Antragsteller nicht angeboten worden, eine von Herrn Tluk am gleichen Tage angekündigte Einladung zu einem weiteren Gespräch sei bisher ausgeblieben. Weitere Aufforderungen zu Gesprächen habe er nicht erhalten, die einstweilige Anordnung sei dringend geboten, da die Nordsee-Pflege mangels Kostenzusicherung keine Assistenzleistungen mehr erbringe,
Die Antragsgegnerin tritt dem Antrag entgegen, das WMH sei speziell für jenen Personenkreis konzipiert, bei dem - wie beim Antragsteller - nicht nur Pflege, sondern daneben auch Eingliederungshilfe in starkem Umfang zugewandt werden müsse. Die Einrichtung habe zwei Kernbereiche und zwei Außenwohngruppen, der Antragsteller könne in seiner bisherigen Wohnung vom nur 500 m entfernten Kernbereich "Kleiner Blink" aus betreut werden, dieser Kernbereich weise bisher 15 Plätze aus, die Bewohner würden von neun Mitarbeitern betreut, Da fast alle Betreuten der beiden Kernbereiche und der beiden stationären Außenwohnbereiche von morgens bis nachmittags außerhalb des Heims in den Elbe-Weser-Werkstätten arbeiteten, stünde das Personal, das in dieser Zeit eine relativ geringe Stärke ausweise, dem Antragsteller und den wenigen Besuchern, die ebenfalls nicht berufstätig sein könnten, zur Verfügung, abends, wenn die meisten der Bewohner von der Arbeit kämen, sei dann entsprechend mehr Personal vorhanden, Da die Mitaufnahme des Antragstellers in den Kreis der vom Kernbereich "Kleiner Blink" zu Betreuenden wegen des für ihn gezahlten Pflegesatzes zu Mehreinnahmen führen würde, könne das Personal in diesem Kernbereich noch aufgestockt werden, der Antragsteller habe auch seine Mitwirkungspflichten verletzt, entgegen der Behauptung des Antragstellers habe der Mitarbeiter des WMH gegenüber dem Antragsteller keine Einladungen angekündigt, bis heute habe der Antragsteller nicht beim WMH vorgesprochen, um seinen individuellen Bedarf feststellen und abstimmen zu lassen, der Antragsteller habe außerdem nicht glaubhaft gemacht, wozu er überhaupt konkret Eingliederungshilfe benötige, dem Antragsteller stehe nicht das Recht zu, für seine behinderungspolitischen Aktivitäten acht Stunden täglich einen Gesellschafter oder einen Fahrer für das ihm seitens der Antragsgegnerin beschaffenes Fahrzeug zur Verfügung zu haben, auch Gesunde könnten neben ihrer Berufstätigkeit politische Aktivitäten nur im Rahmen ihrer Freizeit in dem späten Nachmittags- und in den Abendstunden, allenfalls zwei- bis dreimal in der Woche nachgehen, Mehr könne auch der Antragsteller nicht verlangen. Sofern der Antragsteller als Vorstandsmitglied in dem von ihm geleiteten "Assistentenverein Stadt und Landkreis Cuxhaven" herausgehobene Tätigkeiten ausübe und dies Kosten verursache, müsse er sich seine Aufwendungen von der Vereinskasse vergüten lassen. In dem so verstandenen Rahmen sei die Eingliederungshilfe durch das vorhandene Personal des WMH und seiner Außenwohnstätten gewährleistet, wenn der Antragsteller seine Wünsche rechtzeitig aufgebe. Es sei dem Antragsteller darüber hinaus zuzumuten, öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch zu nehmen,

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 VwGO) hat Erfolg,

1, Aus § 123 Abs. 3 VwGO i.V. m. § 920 ZPO folgt, dass eine einstweilige Regelungsanordnung grundsätzlich nur erlassen werden darf, wenn die behaupteten Ansprüche zumindest glaubhaft gemacht sind (Anordnungsanspruch). Es muss demnach eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen derjenigen Tatsachen bestehen, aus denen kraft Gesetzes der geltend gemachte Anspruch hergeleitet werden kann. Diese Voraussetzungen sind vorliegend, auch nach Würdigung der Gründe des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2001 und des neuerlichen Vortrags der Antragsgegnerin gegeben.

Dem Antragsteller steht die im Wege der einstweiligen Anordnung beantragte Eingliederungshilfe in Form von Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 40 Abs. 1 Nr., 8 BSHG i.V. m. § 55 SGB IX) durch Bereitstellung einer persönlichen Assistenz für fünf Stunden am Tag zu.

Der Antragsteller gehört zu dem Personenkreis, dem nach §§ 39,40 ff BSHG Eingliederungshilfe zu gewähren ist, der Antragsteller hat einen unvermindert hohen Bedarf an Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft i.S. von § 55 SGB IX, die Erforderlichkeit der nach dieser Vorschrift sicherzustellenden Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben (Kontakte zu seinen Mitmenschen, Spaziergänge, Einkäufe, Besuche von kulturellen und politischen Veranstaltungen, und diverse weitere Freizeitaktivitäten) ergibt sich evident aus der Schwere der körperlichen Behinderungen des Antragstellers und bedarf entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht der Darlegung und Rechtfertigung im Einzelnen.

In einem Schreiben des Gesundheitsamtes vom 16.02.2001 (BI. 144 BA) heißt es bezüglich des Hilfebedarfs, der Antragsteller benötige eine Betreuung und Hilfe in allen Bereichen des täglichen Lebens "rund um die Uhr". Die spastische Cerebralparese beeinträchtige die Funktion beider Hände und Füße. Ein selbständiges Aufstehen und Hinsetzen sowie ein selbständiger Transfer sei nicht möglich, der Antragsteller könne sich nur mittels eines Rollstuhls fortbewegen, der mit dem linken Ellenbogen betätigt werde. Ständig einschießende Bewegungen in Arme, Beinen, Händen und Gesicht erschwerten jedoch die Hilfe. Das hohe Maß der körperlichen Einschränkungen des Antragstellers und die sich hieraus ergebende Hilfebedürftigkeit ergeben sich weiterhin aus dem Aktenvermerk der Antragsgegnerin vom 01.03.2001 (BI, 152 BA), in dem insbesondere wegen der behinderungspolitischen Aktivitäten des Antragstellers eine Assistenz in jedem Falle für erforderlich gehalten wird, die Notwendigkeit einer Assistenz in hohem Umfang wurde - jedenfalls zeitweilig - auch von der Antragsgegnerin anerkannt, was daraus deutlich wird, dass sie mit Bescheid vom 07.06.2001 die Kosten von monatlich 250 Stunden Assistenz durch die Nordsee-Pflege bewilligt hat, die Antragsgegnerin hat nicht belegt, dass an diesen Feststellungen nicht mehr festzuhalten ist, sondern geht in ihrem Widerspruchsbescheid vom 13.12.2001 ganz offensichtlich von ihrer Fortgeltung aus, indem sie dort ausführt, dass der Antragsteller keine Selbständigkeit mehr in Bezug auf einzelne Fähigkeiten .(Körperpflege, Mobilität, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung etc.) habe. Wegen seiner ehrenamtlichen Arbeit im Beirat für behinderte Menschen und als Vorsitzender des Assistenzvereins Stadt und Landkreis Cuxhaven e.V. sowie für den Besuch kultureller Veranstaltungen, gesellschaftliche und private Besuche, Behördengänge aller Art, Arztbesuche, physiotherapeutische Behandlungen und Logopädie benötige er eine ständige Begleitung, Neue Begutachtungen des Pflege- und Hilfebedarfs des Antragstellers wurden nicht vorgenommen, so dass davon auszugehen ist, dass sich der gesundheitliche Zustand des Antragstellers und der hieraus resultierende Pflege- und Hilfebedarf nicht verbessert hat. Wenn die Antragsgegnerin nunmehr im vorliegenden Eilverfahren (erstmals) bestreitet, dass der Antragsteller im beantragten Umfange überhaupt Eingliederungshilfe benötige ("weder für 8 Stunden noch für 5 Stunden noch überhaupt"), so steht dies im Gegensatz zu ihren gesamten bisherigen Feststellungen und dem dem Antragsteller bis zum 30.06.2001 zuerkannten Maß an Eingliederungshilfe In Form der Bereitstellung einer persönlichen Assistenz für acht Stunden täglich, sofern die Antragsgegnerin nunmehr von einem geringeren Maß an Hilfebedürftigkeit ausgeht, bedarf es entsprechender aktueller fachkundiger Feststellungen, z.B. durch Einholung eines neuen Gutachtens o.ä. entgegen dem Vortrag der Antragsgegnerin geht das Gericht auch davon aus, dass der Antragsteller an erheblichen Sprachproblemen leidet und wegen seiner undeutlichen, schwer verständlichen Worte einen Assistenten benötigt, hiervon wird nicht nur im Widerspruchsbescheid vom 13.12.2001 ausgegangen, sondern dies folgert entgegen dem Vortrag der Antragsgegnerin auch aus dem Gutachten des MDK vom 13.10.2000 zwar wird dort auf Seite 5 zu dem Punkt Kommunikation/Sprache aufgeführt "unauffällig". Vorher heißt es jedoch, dass die Gesichtsmimik des Antragstellers bei der Sprache undeutliche, aber bei näherem Kennenlernen des Antragstellers verständliche Worte verursacht, von einer schweren Sprachstörung und undeutlichen, schwer verständlichen Worten spricht auch das Gesundheitsamt in zwei Schreiben vom 16.02.2001 (BI. 141,144 BA), eine Unterhaltung ohne seinen Assistenten sei unmöglich, das Gericht folgt der Antragsgegnerin weiterhin nicht in ihrer Auffassung, dass der Antragsteller nur in den Abendstunden einen Anspruch auf die Erbringung von Assistenzleistungen habe 1 da auch Nichtbehinderten erst während dieses Zeitraumes Zeit für Freizeit- und politische Betätigungen verbleibe. Abgesehen davon, dass die Antragsgegnerin, wie bereits ausgeführt, bisher stets von einem Betreuungsbedarf des Antragstellers "rund um die Uhr" ausgegangen ist, übersieht sie, dass der Antragsteller eben nicht wie die meisten Nichtbehinderten lediglich in den Abendstunden, sondern auch tagsüber Bedarf an der Teilhabe am u. a. kulturellen Leben in der Gemeinschaft hat.
Hinsichtlich der dem Antragsteller demnach im Umfange von mindestens fünf stünden zu erbringenden Eingliederungshilfe ist die Hilfegewährung in Form der stationären Hilf, ~ in einer Außenwohnung des WMH voraussichtlich nicht zumutbar i.S. des § 3a BSHG, so dass es auf den Kostenvergleich der verschiedenen Hilfeformen nicht ankommt. Das Gericht bleibt bei seiner im Beschluss vom 20.09.2001 geäußerten Auffassung, nach der das für den Antragsteller erforderliche Maß an Eingliederungshilfe durch die Einrichtung und das Personal des WMH nicht sichergestellt scheint.
Die Antragsgegnerin hat zwar im Rahmen des Widerspruchs- und des vorliegenden Eilverfahrens das Konzept des WMH und die personelle Ausstattung der verschiedenen Kernbereiche und Außenwohnungen näher aufgeklärt und dem Gericht weitere Leistungsbeschreibungen der Einrichtung vorgelegt (BI, 67 ff, GA). Hiernach soll der Antragsteller in seiner eigenen Wohnung verbleiben und - nach Eintritt des WMH als Mieter - vom neunköpfigen Personal des 500 m entfernten Kernbereichs "Kleiner Blink" aus gepflegt und betreut werden die Antragsgegnerin hat es jedoch offensichtlich bei der Einholung der allgemeinen Leistungsbeschreibungen des WMH belassen, ohne dass eine konkrete Abstimmung des Pflege- und Betreuungsbedarfs des Antragstellers unter Berücksichtigung seiner Individuellen Behinderungen und Ansprüche ersichtlich ist. Im Rahmen der Erbringung von Eingliederungshilfe ist nach § 46 BSHG ein Gesamtplan zur Erbringung der Durchführung der einzelnen Maßnahmen zu erstellen, bei dessen Aufstellung der Träger der Sozialhilfe mit dem Behinderten, den beteiligten Ärzten, dem Gesundheitsamt und anderen Beteiligten, vorliegend dem verantwortlichen Leitungskräften des WMH, zusammenwirken soll. Im Falle des Antragstellers ist bisher nicht einmal das konkrete Ausmaß der für ihn erforderlichen Eingliederungshilfe in Form von Assistenzleistungen ermittelt worden. Die eingeholten Gutachten des MDK vom 13.10.2000 und des Gesundheitsamtes vom 16.02.2001 behandeln bei der Ermittlung der hinsichtlich der Hilfeerbringung für den Antragsteller anfallenden Punktzahlen lediglich notwendige Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung (das letztgenannte Gutachten spricht zwar in der Einleitung von 250 Stunden monatlich für persönliche Assistenz, lässt aber eine genaue Berechnung dieser Stundenzahl vermissen). Auch in der Folgezeit ist bis zum jetzigen Zeitpunkt eine genaue Ermittlung der für den Antragsteller erforderlichen Assistenzleistungen unterblieben, zwar ist einem Aktenvermerk vom 16.11.2001 zu entnehmen, dass Mitarbeiter der Antragsgegnerin sich am 13.11.2001 bei den EWW mit dortigen Mitarbeitern getroffen und den Fall des Antragstellers "eingehend" besprochen haben, nicht deutlich wird jedoch, welche Ergebnisse die Gespräche gebracht haben und wie und in welchem Umfange im konkreten Fall ein bestimmter Bedarf des Antragstellers an Pflege- und Eingliederungshilfe durch die Mitarbeiter des WMH gedeckt werden soll, Allein der Hinweis, dass es in den Einrichtungen des WMH dem Falle des Antragstellers gleichgelagerte Pflegefalle gebe, deren Hilfebedarf durch den täglichen Pflegesatz der Einrichtung in Höhe von (im Jahre 2001) DM 214,28 gedeckt sei, zeigt noch nicht auf dass gerade der Hilfebedarf des hochgradig behinderten Antragstellers, der entgegen den sonstigen Pflegebedürftigen des WMH in seiner bisherigen Wohnung verbleiben dürfen soll, sicherstellt wird, Erforderlich hierfür wäre u.a. eine auf den Antragsteller zugeschnittene Personalplanung, die erkennen lässt, in welcher Stärke zu bestimmten Tageszeiten und für weiche Verrichtungen Personal mit bestimmten Qualifikationen gerade für den Antragsteller zur Verfügung steht. Von Belang und ebenfalls nicht aufgeklärt erscheint hierbei, wie viel Pflegebedürftige sich zu den verschiedenen Tageszeiten im Kernbereich "Kleiner Blink" aufhalten und welchen Pflegebedarf diese Personen habe, Es ist demnach bereits fraglich, ob die im vorliegendem Eilverfahren nicht streitgegenständliche Hilfe zur Pflege im Umfang von ca., acht Pflegestunden am Tag durch das für 15 andere Pflegebedürftige zuständige Pflegeteam des Kernbereichs "Kleiner Blink" sichergestellt wäre. Wie darüber hinaus mindestens fünf Stunden Betreuung des Antragstellers durch einen Assistenten ermöglicht werden soll, ist dem Gericht nicht ersichtlich Zwar hat die Antragsgegnerin zutreffend ausgeführt, dass dem Antragsteller seinerseits Mitwirkungspflichten nach § 1 Abs. 2 BSHG, §§ 60 ff SGB 1 treffen, zu beachten ist diesbezüglich jedoch, dass nach § 66 Abs. 3 SBG1 Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden dürfen, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist nachgekommen ist, Vorliegend fehlt es bereits daran, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller überhaupt zu bestimmten Mitwirkungshandlungen (...)

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist - abgesehen von der Streitwertfestsetzung - die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen statthaft, die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe dieses Beschlusses bei dem

Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, Altenwall 6, 28195 Bremen.

einzulegen und innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Beschlusses zu begründen, die Beschwerde muss von einem Rechtsanwalt oder einem sonst nach § 67 Abs. 1 VwGO zur Vertretung berechtigten Bevollmächtigten eingelegt werden.
Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen einzureichen, Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen.
Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 50,00 Euro übersteigt, die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt hat oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem

Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, Altenwall 6, 28195 Bremen,

einzulegen.

Die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung muss von einem Rechtsanwalt oder einem sonst nach § 67 Abs. 1 VwGO zur Vertretung berechtigten Bevollmächtigten eingelegt werden, gez. Zimmermann

Gez. Hagedorn
Gez. Dr. Jörgensen

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