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09.11.2012 Stellungnahme zur Rede Maria Michalk

Stellungnahme zur Bundestagsrede von Maria Michalk (CDU/CSU)

Freitag, den 9. November 2012

Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen

ForseA: Schon der Name geht von falschen Voraussetzungen aus. Nicht der Bedarf wird geregelt sondern der Umfang, wie dieser von Kostenträgern anerkannt werden muss. Dass der Bedarf besteht, wird überall anerkannt

Rede Maria Michalk:Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kollegin Mattheis, Sie sagen, das von Ulla Schmidt auf den Weg gebrachte Gesetz sei gut. Wir haben es damals in der Großen Koalition gemeinsam beschlossen. Nun haben wir das Gesetz fortentwickelt. Jetzt sagen Sie, das sei nicht weitgehend genug, und wollen sich der Stimme enthalten. Das ist inkonsequent.

ForseA: Richtig. Die Inkonsequenz begann jedoch bereits in der Großen Koalition. Obgleich sich alle Fraktionen darüber einig waren, dass die Situation von behinderten Menschen mit hohem Assistenzbedarf in Krankenhäusern sehr prekär bis hin zur Lebensgefahr ist, beschränkte man sich darauf, behinderte Arbeitgeber in den Schutz des Gesetzes aufzunehmen. Dieser Verstoß gegen die Gleichbehandlung führte zu heftigen Protesten, die mittlerweile auch durch Gerichtsentscheidungen gestützt werden.

Rede Maria Michalk: Lassen Sie mich die Sache auf den Punkt bringen. Das große Thema ist heute natürlich die Praxisgebühr. Schon seit Wochen ist es in aller Munde. Aber hätten wir dieses kleine, feine Gesetz zur Fortentwicklung des Assistenzpflegebedarfs im stationären Bereich sowohl in der Vorsorge als auch in der Rehabilitation nicht auf den Weg gebracht, die Koalition hat dies in Abstimmung mit den Ländern getan, dann hätten Sie die Debatte heute so nicht führen können. Das will ich an dieser Stelle noch einmal sagen; denn es ist wichtig, dass wir die Dinge, die notwendig sind, im Rahmen unserer regulären Arbeit vervollkommnen und verbessern.

ForseA: Diese wohlüberlegte Verknüpfung mit dem Wegfall der Praxisgebühr nimmt unser Problem als Geisel. Alle Beteiligten bis hin zum Bundespräsidenten werden dadurch sich kaum die Blöße geben, das Gesetz abzulehnen. Sie werden damit gezwungen, ein Gesetz, das nach Artikel 4 der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen ungültig sein muss, durchzuwinken.

Rede Maria Michalk: Das Gesetz existiert seit dem 30. Juli 2009. Es ist ausschließlich auf das sogenannte Arbeitgebermodell ausgerichtet. Es ist richtig und gut, dass sich Menschen mit einer Behinderung ihre Assistenz selbst aussuchen und sie auch selbst einstellen können und dass sie so ihr Leben mit der Assistenz ganz konkret individuell gestalten können. Es ist in der Sache auch richtig und gut, dass diese Menschen bei einem stationären Krankenhausaufenthalt den sogenannten Mehrpflegebedarf von ihrer vertrauten Assistenz, in der vertrauten persönlichen Konstellation, erhalten.

ForseA: Es ist richtig und gut, dass es das Arbeitgebermodell gibt. Aber das stand nicht zur Debatte. Warum es aber nicht richtig und gut ist, dass der Schutz des Gesetzes sich nicht auch auf Insassen von Anstalten, bzw. auf Kundinnen und Kunden ambulanter Dienste erstrecken darf, darauf bleibt Frau Michalk eine Erklärung schuldig.

Rede Maria Michalk: Die Praxis hat in den letzten Jahren gezeigt, dass es schlecht bzw. menschlich nicht vertretbar ist, wenn diese Assistenz nicht in den sogenannten Vorsorgebereich oder Rehabilitationsbereich mitgenommen werden kann. Diesen Fakt haben wir im Gesundheitsausschuss aufgegriffen und dazu ein Expertengespräch durchgeführt. Sowohl die Länder als auch die Leistungserbringer, also die Kommunen, haben gesagt: Ja, diese in sich logische Erweiterung auf den Rehabilitationsbereich bzw. die stationäre Vorsorge ist gut und richtig und auch bezahlbar. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.

ForseA: Wenn es menschlich nicht vertretbar ist, die Kur auszuschließen: Warum um alles in der Welt, ist dies für Insassen von Anstalten, bzw. auf Kundinnen und Kunden ambulanter Dienste vertretbar. Warum wird dieser unauflösbare Widerspruch hingenommen? Warum geht man nicht die gesamte Strecke nur wieder einen winzigen Schritt?

Rede Maria Michalk: Es sind ungefähr 700 Menschen in unserem Land von dieser Regelung betroffen. Das ist eine relativ kleine und überschaubare Zahl. Wir regeln jetzt diese Erweiterung, weil wir möchten, dass die Pflege aus einer Hand erfolgt und dass der Mehraufwand im Rahmen dieses speziellen Vertrauensverhältnisses gewährleistet wird.

ForseA: In der Regel gibt es keinen Mehraufwand sondern die Verhinderung einer Kostenersparnis auf dem Rücken behinderter Menschen mit Assistenzbedarf. Einen Mehrbedarf wird es geben, wenn der individuelle Bedarf in der Klinik höher als zuhause ist, bzw. durch Fahrtkosten der Assistenz bei auswärtiger Klinik- oder Kurunterbringung.

Rede Maria Michalk: Uns liegt ein Antrag der Linken vor. Ursprünglich wollte die Linke den Antrag, den wir heute zur Abstimmung stellen, auch eingebracht haben. Wir standen miteinander im Dialog, und zwar fraktionsübergreifend; auch das muss ich noch einmal sagen. Dummerweise hat sich die Linke von ihrem ersten Ansinnen verabschiedet. Sie fordert jetzt eine Ausweitung auf alle Bereiche.

ForseA: Warum, Frau Michalk, ist man dumm, wenn man einsieht, dass man zuvor einen Fehler gemacht hat und sich jetzt der ForseA-Forderung anschließt? Einer ForseA-Forderung, die aus einer von der Universität Witten-Herdecke wissenschaftlich begleiteten Kampagne heraus erhoben wurde. Dies würden wir nicht als Dummheit bezeichnen.

Rede Maria Michalk: Nun kann man immer alles fordern. Fakt ist aber: Politik ist auch ein Instrument des Machbaren und des schrittweise Vervollkommnens. Deshalb sagen wir: Das ist ein logischer, konsequenter, gerechtfertigter und folgerichtiger Schritt, der an dieser Stelle in unserem Gesetz geregelt wird. Wir wissen, dass es in der konkreten Lebenssituation durchaus Konstellationen geben kann und wird, in denen dieser Mehraufwand notwendig ist, weil kein Arbeitgebermodell zum Tragen kommt. Ich möchte noch einmal auf die bestehende Regelung in § 11 SGB V verweisen. Ich zitiere ausdrücklich, was in § 11 Abs. 3 für die Menschen geregelt ist, die ihre Assistenz nicht im Rahmen des Arbeitgebermodells beschäftigen: Bei stationärer Behandlung umfassen die Leistungen auch die aus medizinischen Gründen notwendige Mitaufnahme einer Begleitperson des Versicherten oder bei stationärer Behandlung in einem Krankenhaus nach § 108 die Mitaufnahme einer Pflegekraft … Das heißt, dass in ganz konkreten schwierigen Konstellationen eine qualitative Pflege möglich ist. Diese muss nur gelebt werden. Dass sie gelebt wird, haben uns die Experten in der Anhörung zu dem Gesetz gesagt. Deshalb bleiben wir bei unserem Gesetzentwurf.

ForseA: Die Experten haben in den Anhörungen nach unserer Kenntnis was anderes gesagt. Selbst die Kostenträgerseite hat betont, dass sie nur aus Kostengründen ablehnen muss. Sobald ein Mensch in eine Klinik kommt, steht er in aller Regel unter Stress und Angst und hat daher kaum eine Chance, auch aus Zeitgründen, sein Recht gerichtlich durchzusetzen. In diesem Bewusstsein handeln dann auch die Kostenträger, indem sie nicht gesetzlich verbürgte Rechte ablehnen. Dieses Gesetz widerspricht eklatant den Bestimmungen des Artikels 25 der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen. Wie oben erwähnt, verstößt es damit auch gegen den Artikel 4 dieser Konvention. Daher darf es so nicht in Kraft gesetzt werden. Nur durch die Verknüpfung mit der Praxisgebühr wird vermutlich zunächst der restliche Durchmarsch geschafft. Und zu guter Letzt soll auch nochmals der Beschluss des Sozialgerichts München erwähnt werden. Im Rahmen einer einstweiligen Anordnung vom 21.03.2011 (Az.: S 32 SO 51/11 ER) stellte das Gericht fest, dass auch für Menschen, die über einen Ambulanten Dienst versorgt werden, der Schutz des Gesetzes gilt. Auch dieses und die darin enthaltene deutliche Kritik des Gerichtes am Gesetzgeber haben wir in der Stellungnahme zu diesem Gesetz erwähnt. Vergeblich!

einstweilige Anordnung des SG München
Unsere Stellungnahme anlässlich der Bundestagsanhörung zu diesem Gesetz

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